Bonjour Mr. Hulot

Aebi & Vincent Architekten SIA AG 
Monbijoustrasse 61 
3007 Bern

Pascal Vincent, Bernhard Aebi, Viola Gosteli, Marina Mezzasalma, Gabriel Herbert, Leon Leuba, Franziska Gerlach, Stefan Gerber, Mark Drewanowski, Antonio Merone, Adrian Scheidegger als künstlerischer Berater

WAM Planer und Ingenieure AG 
Münzrain 10 18 
3005 Bern

Patrick Fahrni, Gilles Kehr

Enerplan AG 
Obere Zollgasse 75 
3072 Ostermundigen

David Maurer

Bering AG 
Papiermühlestrasse 4 
3000 Bern 25

Andreas Bischoff

Gartenmann Engineering AG 
Nordring 4A 24 
Postfach 
3001 Bern

Niklaus Hodel

Amstein + Walthert Bern AG 
Hodlerstrasse 5 
Postfach 
3001 Bern

Daniel von Arb

W+S Landschaftsarchitekten AG 
Untere Steingrubenstrasse 19 358 
4500 Solothurn

Toni Weber, Roman Flück

Zimraum 
Müllerstrasse 48 
8004 Zürich

Joelle Zimmerli

Eingabepläne
BONJOUR M HULOT 0

Gesamtwürdigung

Der Vorschlag zeichnet sich durch eine tiefe und kritische Auseinandersetzung mit den Thesen des Richtprojektes aus. Die Bereitschaft eigene Standpunkte zu überdenken und sich auf das «Undenkbare» einzulassen, drückt sich in der Feststellung aus, dass weniger Architekten als Humanisten gefragt sind. Die städtebaulichen Änderungen, insbesondere die Nivellierung der Hochhäuser stellt jedoch die Idee des Ensembles über alle Baubereiche erheblich in Frage. Durch den Wegfall der erdgeschossigen Vor- und Rücksprünge sowie den abrupten Massstabssprung von den bahnbegleitenden Wohnbauten zu den Hochhäusern bilden sich leider wenig in sich übergehende Volumenkombinationen, was das Richtprojekt zu sehr in Frage stellt.

BONJOUR M HULOT 1

Projektbeschrieb

Städtebau und Architektur

In Anlehnung an die Moderne entlarvenden Filme von Jaques Tati über Städte der Monotonie, der Anonymität und der Bürokratie fragen die Projektverfassenden; «aber wo bleibt die Lebensfreude in einer Stadt, in der die Technik überhandnimmt und jegliche Spontanität und Liebe zu ersticken droht. Wo bleiben die hochwertigen öffentlichen Räume, das Nichtregulierte, das Leben selbst?». Es sollen vielmehr eine charmante Unordnung und keine sterilen und sinnentleerten Quartiere angestrebt werden. Mit Begeisterung für den Prozess und das Auswahlverfahren, welches nicht das beste Projekt, sondern Teamplayer sucht, wird die Chance für einen aussergewöhnlichen Entwicklungs- und Qualitätsprozess erkannt und angenommen. Das Richtprojekt zu validieren, ohne zu viel aber auch nicht zu wenig Gestaltung, wird als verlockender Balanceakt aufgenommen. In einem offenen Brief an M. Hulot wird das Richtprojekt poetisch auf den Prüfstand gestellt. Zwecks besserer Belichtung wird u. a. vorgeschlagen, den Südturm Baubereich 6 in seiner Höhe auf 30.0 m zu reduzieren und die Kulisse trichterförmig aufzubauen. Die daraus entstehende Höhennivellierung der Hochhäuser und städtebauliche Separierung zwischen Norden und Süden wird sehr kritisch beurteilt. Das stufenartige Ensemble des Richtprojektes droht damit, ähnlich WankdorfCity I und II, in funktionale Einheiten zu verfallen. In ihrer Volumetrie sieht man von der fehlenden Höhennivellierung ab, zeichnen sich die Häuser durch ein ausgeklügeltes Spiel von Versätzen und Stufungen aus. Auf die massstabsbildenden Vorbauten im Erdgeschoss wird verzichtet. Es entsteht ein geometrisch präziser, mittiger Platz, welcher durch Arkaden gefasst wird. Die Anwendung dieser geradlinigen, traditionellen Grammatik kann die Erwartungen an eine differenzierte Bespielung und Interaktion des Erdgeschosses mit dem Freiraum nicht genügen. Wohnen und ­Arbeiten teilen sich die knapp bemessenen Hauptzugänge vom Neuenschwanderplatz. Diese Vermischung entspricht den sozialen Anliegen und Perspektiven und wird als Denkanstoss gegenüber festgefahrenen funktionalistischen Traditionen ebenso intensiv wie kontrovers diskutiert. Bedauerlich ist dabei, dass lange und unattraktive Gänge die peripher angeordneten Vertikalerschliessungen bedienen und damit der grundsätzlich innovativen Idee wenig Support leisten. Es soll nicht ein Nebeneinander von Stilen angestrebt und als Gestaltungsregel durchgesetzt werden. Basierend auf einem einfachen Konstruktionssystem wird eine Struktur vorgeschlagen, welche als Kulisse für die Sammlung individueller Umgebungen eines jeden Bewohnenden dienen kann. Über alle drei Häuser ähnliche Fassaden bieten insbesondere aufgrund ihrer teilweise tiefen Loggias und Veranden zwar Raum für die individuelle Aneignung. Die Zeichnungen zeigen jedoch ein Bild von begrünten, im technischen Detail nicht nachgewiesenen Wohnfassaden, welche mit der individuellen Stossrichtung des Richtprojektes nur schwer in Übereinstimmung zu bringen sind. Vor allem aber steht die Gleichheit der Häuser im Widerspruch zu den Thesen des Richtplanes, welcher in der angestrebten Unterschiedlichkeit der Häuser nicht allein auf die Beeinflussbarkeit durch die Bewohnerinnen und Bewohner setzt und vertraut.

Eine Vielzahl von Raumtypen und Freiräumen mit teilweise opulenten Pflanzenwelten führen in unterschiedlichen Raumsequenzen von der offenen Stadtterrasse zu Gemeinschaftsgärten mit Gemeinschaftsraum. Als erklärte halböffentliche Stadtterrasse auf plus 30.0 m wird ein zusätzliches Angebot zur Stadtebene geschaffen. Kindergärten, Gemeinschaftsräume und Ateliers begleiten den in seiner Raumdramaturgie bemerkenswerten Höheweg, der im Inneren, in Form von mehrgeschossigen Foyers seine interessante Fortsetzung findet. Die Absicht, die Stadtterrasse nicht in Konkurrenz zur Stadtebene zu setzen wird in Form der Nutzungen und der halböffentlichen Ausrichtung glaubwürdig und konsequent verfolgt. Die Projektverfassenden schlagen zudem auf verschiedenen Ebenen eine üppige Begrünung vor (Stadtterrasse, Dachebene, Fassaden, Hängende Gärten). Die Bilder zu Dach- und Fassadenbegrünung vermögen nicht vollends zu überzeugen, da die technische Machbarkeit und Unterhaltskonzept nicht erläutert werden.

Bonjour Monsieur Hulot Modellbild
Situationsplan Erdgeschoss

Nutzung und Funktionalität

Immer drei- bis viergeschossige Erschliessungsräume, sinnfällig angeordnet an den lärmexponiertesten Stellen der Wohnbauten, verbinden sich mit der Idee vertikaler Nachbarschaften zu einer innovativen, dem spezifischen Ort abgerungenen Besonderheit. Die jeweils überhohen Räume haben das Potential zusammen mit den Eingangshallen und der Stadtterrasse den Thesen des Richtprojektes «Bewegungsräume sind Begegnungsräume» eine architektonisch-soziale Bedeutung zu geben und Nachbarschaften zu ermöglichen. Trotz des vermeintlich engen Stützenkorsetts lassen sich erstaunlich angenehme Wohngrundrisse entwickeln. Im Typus ähneln sich die Wohnungen als Laubenganggrundriss und lassen, der einheitlichen Struktur geschuldet, eine Vielfalt von Wohntypologien nicht zu. Ohne Not wird auch im Baubereich B5 ebenfalls ein 3,5 m Raster angewendet und die Möglichkeit ausgelassen alternative Raumdimensionen im Vergleich zu den anderen Baubereichen anzubieten. Soweit erkennbar, werden die Brücken zwischen den Häusern nur auf der Stadtterrasse angeboten. Damit wird eine der zentralen Forderungen, grosse zusammenhängende Dienstleistungsflächen anbieten zu können, nicht erfüllt. Auch wird damit die Chance vertan, den Lärm einzudämmen. Was mit den vertikalen Nachbarschaften in den Wohngeschossen schön umgesetzt wird, kann in den Dienstleistungsflächen weder organisatorisch noch räumlich-architektonisch die Erwartungen an attraktive Flächen einlösen. Der Projektbeitrag weist eine grosse Vielfalt an unterschiedlichen Öffentlichkeiten und Privatheiten von Freiräumen auf. Der klar öffentlichen Stadtebene auf dem Boden werden die Stadtterrassen als nachbarschaftliche Öffentlichkeiten, angereichert mit entsprechenden Nutzungen, entgegengestellt. Sozialräumlich eine sinnvolle Aufteilung. Hingegen wirken die weiteren Unterscheidungen von halbprivaten und gemeinschaftlichen Räumen eher verwirrlich. Sinn macht auch die Segmentierung der Türme in Wohnebenen, um in der Vertikale Gemeinschaften zu ermöglichen.
Schnitt

Wirtschaftlichkeit

Die Flächeneffizienz der Wohngeschosse bewegt sich im Vergleich zu den anderen Projekten im unteren Drittel. Dafür verantwortlich sind z. B. die grosszügigen Vorbereiche und die teilweise zweigeschossigen Erschliessungsbereiche. Der grosse Anteil an Aussenflächen sowie die technischen Anforderungen an die grossflächige Fassadenbegrünung tragen ebenfalls dazu bei, dass eine wirtschaftliche Umsetzung des Projektvorschlags eher als ambitioniert erachtet wird.
Obergeschoss Gartenebene Stadtterrasse

Umwelt

Die Lärmproblematik wurde erkannt und es wird konzeptionell aufgezeigt, wie auf die Lärmsituation reagiert wird. Die Wohnungen verfügen an den lärmexponierten Seiten über Erschliessungsflächen und gemeinschaftliche Zwischenräume als Pufferschicht. Die lärmempfindlichen Räume werden über die lärmabgewandten Fassaden und über Loggias belüftet. Mittels entsprechender Nutzungsanordnung wird dem Aspekt des Lärmschutzes Rechnung getragen. An den lärmexponierten Fassaden werden konsequent lärmunempfindliche Räume angeordnet. Insgesamt ein sorgfältig ausgearbeiteter Lösungsansatz. Durch die kompakten Körper basierend auf einem klaren Raster, kann die Konstruktion optimiert und eine angemessene Nutzungsflexibilität erreicht werden. Das Tragwerk wird als Skelettbau in Stahlbetonstützen in einem effizienten 7 × 7 m Raster in den Bürogeschossen und in den Wohngeschossen auf einem 3.5 × 3.5 m Raster vorgeschlagen. Die «sehr» schlanken Holkastendecken liegen auf integrierten Unterzügen auf. Die Verfassenden wählen die Raster um kostenoptimiert zu planen und eine kontrollierte Freiheit zu erhalten. Die Fassade soll als Basis für die hängenden Gärten einen mineralischen Ausdruck geben. Die Projektverfassenden schlagen weiter ein nachhaltiges Energiekonzept (Erdsonden, Abwassernutzug), nachhaltige Materialwahl, klare Systemtrennung und Photovoltaik vor, was zur ganzheitlichen Nachhaltigkeit beiträgt.
Bonjour Mr. Hulot