Segantini

Meili, Peter & Partner
Architekten AG

Gartenhofstrasse 15
8004 Zürich

Fakultativ beigezogene Fachrichtungen/
Spezialisten:

Makio Wiederkehr AG

Ingenieure Holzbau Brandschutz
Industriestrasse 9
5712 Beinwil am See

Reinhard Wiederkehr, Kurt von Felten

Venon Projects AG
Binzmühlestrasse 170d
8050 Zürich

Christof Murer

Gartenmann Engineering AG

Cysatstrasse 23A
6004 Luzern

Attila Gygax

Eingabepläne
SEGANTINI1

«Segantini» kurz erklärt

Gesamtwürdigung

Die Gedanken, Modelle und Pläne der Projekteingabe zeugen von einer vertieften Auseinandersetzung mit der Aufgabenstellung und dem Richtprojekt. Die Beiträge sind tragfähig, thematisch präzise ausgesucht und bringen wertvolle Aspekte zu den Fragen der Aneignung und Teilhabe, den programmatischen Inhalten und dem Bilden von Strukturen und «Gefässen» ein. Die Darstellungen gründen auf einer Bereitschaft zur Lösungssuche. Nicht alles wird gezeigt, dafür ist das Wichtige präzise und von hoher Qualität. Mit diesem Gedankengut und der Arbeitsweise empfehlen sich die Projektverfassenden als Kooperationspartner für die weiteren Phasen.

SEGANTINI3

Projektbeschrieb

Städtebau und Architektur

«Die Vision für ein Stück Stadt, die als Ort mit eigenständiger Identität verstanden und gelebt wird, bedingt das Schaffen und Zulassen von Differenzen». Die Projektverfassenden verstehen diese Differenzen nicht nur auf visueller Ebene, sondern insbesondere auch auf inhaltlicher Ebene. Sie beschreiben und verstehen die Stadtvision als komplexes Gefüge mit räumlichen und zeitlichen Bezügen, sozialer Interaktion, offenen Strukturen und als ein Entwicklungsverfahren, das die städtebauliche und typologische Kohärenz nicht nur im Dialog von Körper und Raum sucht. Diese stimmige Betrachtung der Ausgangslage und Aufgabenstellung wird in der Projektarbeit weitergeführt. Neben den Untersuchungen zur soziokulturellen Nachhaltigkeit steht bei dieser Arbeit die Auseinandersetzung mit den strukturellen Bedingungen von gestapelten und mehrfach genutzten Häusern im Zentrum. Schlanke und ressourcenschonende Strukturen sollen dabei einen Beitrag zur Flexibilität, Adaptierbarkeit und CO2-Reduktion leisten.

Mit dem Anspruch, ein durchmischtes und mit dem Impuls von aussen angereichertes Quartier zu sein, soll ein Kultur- und Begegnungszentrum in der Shedhalle als städtebaulicher bzw. sozialer Magnet dienen. Eine Plattform und ein Begegnungsraum für den Ort wie auch für die Region. Die Halle deckt ein Angebot an Räumen mit unterschiedlichen Grössen, Qualitäten und Nutzungsmöglichkeiten ab. Dadurch können sowohl Kulturveranstaltungen, Events und Anlässe sowie Aktivitäten für Freizeit, Familie oder Beruf abgedeckt werden. Ein öffentlich zugänglicher Ort, der durch alle Alters- und Gesellschaftsschichten belebt und genutzt wird. Die Idee leistet einen wertvollen Beitrag zu der Frage der Durchmischung und Aktivierung des neuen, durch die Verkehrsträger begrenzten Quartiers. Die Finanzierbarkeit von Kultur und Theater bleibt dabei die Herausforderung. Trotzdem gibt der Vorschlag wichtige Impulse für die zukünftige Bedeutung und Nutzung der Shedhalle. Eine weitere sozialräumliche Frage bearbeitet das Team auf der Ebene der Stadtterrasse. Die Stadtterrasse wird hier nachbarschaftlich gedacht und in unterschiedliche Niveaus und Sequenzen gegliedert. Präzis gesetzte Angebote und Wohnungen bespielen den Raum, sorgen für soziale Interaktion und verknüpfen sich fast spielerisch zu einem Ganzen. Die Interventionen sind eher kleinräumig, schaffen unterschiedliche Aufenthaltsqualitäten und bleiben offen für Neues. Ein feines Netz an Aktivitäten, Möglichkeiten und Räumen schafft so eine angemessene Vielfalt für die Bewohnenden, ohne dabei die Stadtebene zu konkurrenzieren. Diese Haltung erzeugt ein stimmiges Bild für die hochliegende Stadtterrasse.

Einzelne Wohnungen werden im Weiteren exemplarisch dargestellt. Dabei sind bezüglich Exposition und Lärm die herausfordernden Typen abgebildet. Die Arbeit zeugt von einer Suche nach spezifischen und räumlich vielfältigen Wohnsituationen. Die Wohnungstypen variieren und zeigen Erfindungen im Umgang mit der Lage auf. Zum Teil sind die Einheiten zu grosszügig gedacht.

Segantini Modellbild
SEGANTINI Situationsplan
Längsschnitt Schedhalle M

Nutzung und Funktionalität

Das Team nimmt sich der städtebaulichen Figur an, arbeitet skulptural, stapelt die Gebäude und stellt sich hier die Frage nach der Ökonomie der Mittel. Eine Skelettstruktur durchdringt die Gebäude, verbindet sich bei den Auskragungen zu Fachwerkträgern und generiert so im System Abwicklungen, Stapelung und Terrassen. Das zusätzlich abgegebene Arbeits- und Strukturmodell über die Baubereiche B5–B8 zeigt die vertiefte Auseinandersetzung mit der Stadt- und Gebäudestruktur. Die Stadtfigur weist gegenüber dem Richtprojekt nachvollziehbare Modifikationen auf. Auf ein Bild der Stadt, der Schichtung und Gestaltung der Fassaden wird verzichtet. Dies lässt Raum für später, zeigt aber auch die Bedeutung der Gliederung, Strukturierung und Materialisierung der Fassade im Stadtraum. Beispielhaft ist dies beim Neuenschwanderhof erkennbar. Hier vermisst man die Gliederungsmittel zur präzisen Kontextualisierung des Platzraumes. Strukturbedingt liegen die Treppen als aussteifende Kerne in den Bauvolumen. Hier geht der Aspekt des sichtbaren Bewegungsraumes verloren. Die statische Konstruktion ist als Hybrid­bauweise angedacht. Holzbetonverbund­decken, Unterzüge und Holzstützen bilden der Raumgitter. Der Baustoff Holz als wesentlicher Bestandteil des Rohbaus reduziert den Anteil an grauer Energie und den CO2-Ausstoss. Beton ergänzt den Holzbau, wo statisch, thermisch und akustisch sinnvoll. Die Überlegungen und deren Anwendungen sind stringent und stufengerecht bearbeitet. Die Frage, in welchem Umfang Holz bei der Gesamtüberbauung zur Anwendung kommen soll, wird diskutiert. Auch zu klären sind die Fragen des Brandschutzes und der Wirtschaftlichkeit. Der Beitrag zeigt aber exemplarisch ein Lösungsspektrum für die Stapelung von hybriden Nutzungen, den Umgang mit der figurativen Komplexität der Stadtfigur und den damit einhergehenden strukturellen Herausforderungen.

Segantini setzt die Shedhalle als einen Ort der Kultur und Begegnung und führt damit neben der Areal- und Quartiersbezogenheit richtigerweise für dieses Areal auch den Stadtkontext ein. Die multifunktionale Shedhalle ermöglicht unterschiedliche Veranstaltungs- und Gastronomiekonzepte und unterstützt damit die stadtweite Belebung der Stadtebene. Die Stadtterrassen als Orte der Begegnung sind mit ausdifferenzierten, gut nachvollziehbaren Nutzungen bereichert. Die beiden Niveaus werden mit Appia-­Treppen oder einem zweistöckigen Quartiertreff als Aneignungsräume in Szene gesetzt. Ökologische Ausgleichsflächen mit «naturnaher» Begrünung sind auf den Zwischenebenen vorgesehen.

Appia-Treppe, Anbaugarten, Paradiesgarten, Kollektivraum
Orangerie, Spielraum, Paradiesgarten, Bibliothek
Townhouse Typologie Wohnen

Wirtschaftlichkeit

Das Projekt wird mehrheitlich als reiner Holzbau vorgeschlagen. Beton wird nur an nötigen Stellen und zurückhaltend verwendet. Dieser Ansatz wird in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit als (voraussichtlich) nicht umsetzbar betrachtet. Die vereinzelt konkret aufgezeigten Wohnungen versprechen hingegen eine hohe Qualität und Effizienz.

Axonometrie Stadtterrasse
Bildlegende zum Tragwerk

Umwelt

Die Lärmproblematik wurde erkannt und es wird anhand von Regelgrundrissen aufgezeigt, wie auf die Lärmsituation reagiert werden soll. Das Konzept basiert auf der Idee mit «Durchwohnen» in Kombination mit der Anordnung von Loggias und Laubengängen sowie entsprechender Grundrissanordnung. Die Wohnungen in den Baubereichen B6, B7 und B8 werden lärmabgewandt gelüftet. In Baubereich B5 sind an der Bahn zugewandten Fassade Loggias vorgesehen, mit der entsprechenden lärmreduzierenden Wirkung. Das gewählte Konzept kann in Bezug auf den Lärmschutz als zielführender Lösungsansatz eingestuft werden. In der nächsten Projektphase ist dieses entsprechend stufengerecht zu konkretisieren.

Im Sinne der «Entkarbonatisierung» des Baues untersuchen die Projektverfassenden schlanke und ressourcenschonende Strukturen. Die statische Konstruktion ist als Hybridbauweise geplant und die Geschossdecken als Holzverbund-Decken, welche auf Holzverbund-Unterzügen und massiven Eschenstützen aufliegen. Die grossen und anspruchsvollen Auskragungen werden mit Fachwerken in Kombination mit den Kernen abgetragen. Die vorgeschlagene Kombination und Holzbauweise als wesentlicher Bestandteil und Beton im Kernbereiche als Speichermasse führt zu einer Reduktion hinsichtlich Bedarfs an grauer Energie. Der Verfasser zeigt auch auf, dass der hohe Vorfertigungsgrad und eine Systemtrennung zu einer Verbesserung der «Life Cycle Kosten» führen kann. Der Verfasser hat sich sehr gut mit den Vorgaben auseinandergesetzt und zeigt «nachhaltige» Lösungen auf.

Das Projekt ‹Segantini› fokussiert auf wenige ausgewählte Aspekte der Aussenraumgestaltung. Im Zuge dieser Auseinandersetzung werden schlüssige Aussagen zur Nutzung der zentralen Shedhalle und deren unmittelbarem Umfeld getätigt. Die Fragestellung und die Art der Herangehensweise zeigen, dass die Verfasser interessante Ansätze zur weiteren Ausgestaltung des Areals leisten sowie sinnfällige Impulse in die Diskussion einbringen können. Dies zeigt sich auch in der Gliederung der Stadtterrasse in zwei Niveaus. Auch wenn dieser Ansatz nicht die abschliessende Lösung darstellt, bietet er Hilfestellungen im Prozess zu deren Findung.

Schema Tragwerk Baufeld 5
Konstruktionsschnitt Baufeld 5