Amytis

Fruehauf, Henry & Viladoms ETH SIA BSA
Chemin Renou 2 
1005 Lausanne

Claudius Fruehauf, ­Guillaume Henry, Carlos Viladoms, ­Thomas Cristea, Marc ­Tarantola, Leo Ornstein, Kilian Diserens

Eingabepläne
AMYTIS Plaene 1

Gesamtwürdigung

Die Projektverfassenden des Projektbeitrags haben einen im Ansatz plausiblen Entwurf aus radikaler Flexibilität und grüner Stadtlandschaft für eine möglichst integrative Nutzbarmachung öffentlicher und halböffentlicher Räume entwickelt. Leider ist der Gedanke einer grünen Terrassenlandschaft nur zeichenhaft verwendet, ohne sich aktuellen, ganzheitlichen Fragestellungen von Nachhaltigkeit, «grüner Lunge» oder Fragen der «Schwammstadt» systemisch und integral zu stellen und so einen substanziellen Beitrag zu generieren. Weder die dargestellten Volumina noch die innere Organisation des neuen Stadtkonglomerats leisten einen zusätzlichen Beitrag zum bereits vorliegenden Richtprojekt. Der Beitrag ist als Ganzes (noch) zu schematisch und – ohne weitere Erläuterung – stark interpretierbar.
AMYTIS 1

Projektbeschrieb

Städtebau und Architektur

Die Projekteingabe nimmt das vom Richtprojekt vorgezeichnete Konzept des Konglomerats für seine Weiterentwicklung auf. Es präsentiert auf den ersten Blick ein grosszügiges städtebauliches Bild von Wankdorfcity 3 als neuem, grünen Stadtbaustein. Die Projekteingabe spielt harmonisch mit Gebäudestaffelung und Auskragungen. Die Grundrisse sind ausgearbeitet, alle Gebäude sind über die dargestellten Grundrisse plausibel organisiert. Auf der Grundlage des Richtprojektes wurde ein zweckmässiges, neutrales Tragwerk entwickelt, das als Struktur und gemeinsamer «Nenner» für alle Gebäude fungiert und als modular gefertigte Hybrid­struktur umgesetzt werden soll, um eine optimale Material­verwendung zu erreichen und graue Energie zu reduzieren. Diese Tragstruktur soll eine umfassende Flexibilität bei der Planung der gewünschten Nutzungsvielfalt im neuen Stadtbaustein Wankdorfcity 3 ermöglichen und damit langfristige Nachhaltigkeit bieten. Die grösstenteils zentral in den Gebäudevolumen angeordneten Kerne sollen der Erschliessung der Stadtebene zur Stadtterrasse und den entsprechenden Funktionen dienen. Der Grundgedanke einer grösstmöglichen Flexibilität durch eine rationale Tragstruktur wird vom Preisgericht grundsätzlich begrüsst. Jedoch wird die Idee von substanzieller Umnutzung nicht in die Vermittlung und Gestaltung des Projekts überführt und ist somit zu wenig klar vermittelt. Eine ultimative Flexibilität steht somit nicht im Verhältnis zur vorhersehbaren Kosten-Nutzen-Analyse. Aus dieser Perspektive ist ein flexibles Stützenraster gerade bei der Wohnnutzung in Frage zu stellen. Ein struktureller statischer Systemwechsel in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit wäre hier in Betracht zu ziehen. Nutzung und Funktionalität In seiner Intention ist das Konzept in Ansichten und Plänen klar ersichtlich. Die Projekteingabe macht vieles richtig, bleibt dabei sehr schematisch und kann über die Visualisierungen, Ansichten und Pläne dem Versprechen nicht gerecht werden. So bleiben wesentliche Fragen zur Adressbildung auf Stadtebene ebenso offen, wie zu den Eingangszonen für Gewerbe und Wohnen. Die Auseinandersetzung mit gemeinschaftlichen Eingängen und den damit verbundenen Konsequenzen bleibt auf der Oberfläche. Auf der oberen Stadtebene wirken Ausprägung und Funktion ausschnitthaft, zu wenig elaboriert und lassen wesentliche Fragen nach Zugänglichkeit und konkreter Nutzungsplanung für die Allgemeinheit oder nur für Anwohnerinnen und Anwohner unbeantwortet. Für die architektonische und freiraumplanerische Ausgestaltung stützen sich die Projektverfassenden auf romantische Bildreferenzen, das «Barbican Conservatory» sowie die Siedlung Halen und präsentiert sich in Anlehnung an die Hängenden Gärten von Babylon als grüne Terrassenlandschaft «Amytis». So bildet die Vegetation eines der Hauptmotive des Entwurfs und ist zugleich das Narrativ. Auf Dächern, Terrassen, Fassaden ist das «Grün» präsent und prägt das städtebauliche und architektonische Bild. Das Konzept der grünen Stadt wirkt jedoch in den vorliegenden Ausführungen wenig überzeugend, obwohl das Thema durchaus Potential hätte. Wesentliches Manko ist, dass die Bepflanzung nicht zu einem integralen Bestandteil der geplanten Struktur und Architektur sowie eines nachhaltigen Bau- und Betriebskonzepts entwickelt wurde, sondern lediglich aufgesetzt, teils fast dekorativ wirkt. Das Projekt baut ein Bild mit einer intensiven Durchgrünung auf, das insbesondere in den Fassaden und auf den Dachgärten ihren Ausdruck findet. Zu den gängigen Typologien wie Terrassen, individuellen Aussenwohnzimmern, Lauben und Pergolen werden den Dachebenen Kleingärten sowie ein tropisches Gewächshaus zugefügt. Die vegetativen Elemente sind allesamt nur schematisch angedacht. Eine vertiefte Auseinandersetzung wird gerade in diesem kraftvollen, ingenischen Ausdruck noch vermisst. Wichtige Fragstellungen des Freiraums bleiben an konventionellen Bildern haften. Spezifische Fragestellungen werden somit nicht zur Diskussion gestellt und werden vermisst.
Amytis Modellbild
Situationsplan Stadtebene

Nutzung und Funktionalität

Die aufgespannte Stadtterrasse verbindet halböffentliche mit privateren Aussenräumen der Maisonettewohnungen und wirkt sozialräumlich als Begegnungsraum für die darüberliegenden Wohneinheiten noch zu beliebig. Gemeinschaftliche Nutzungen bieten auch die begrünten Dächer mit zum Teil geschlossenen Innenräumen. Abgestufte Aussenterrassen erweitern gemeinschaftlichen Flächen. Sozialräumliche Erlebnis-, Begegnungs- und Identifikationsqualitäten werden etwas vermisst und sind noch wenig ­ausdifferenziert.
Baufeld 6 Schnitt A-A

Wirtschaftlichkeit

Das Projekt basiert auf einem einfachen konstruktiven Konzept. Die Grundrisse weisen ein effizientes Verhältnis zwischen vermietbaren Flächen und Erschliessungsfläche auf. Der hohe Glasanteil sowie der hohe Anteil der Bepflanzung mit entsprechendem Bewässerungssystem stellen eine wirtschaftliche und betriebliche Herausforderung dar und müssten für eine wirtschaftliche und gebrauchstaugliche Realisierung vertieft und konkretisiert werden.
Grundriss 13. Obergeschoss

Umwelt

Die Lärmproblematik wurde erkannt. Es wird jedoch nur konzeptionell und rudimentär aufgezeigt, wie auf die Lärmsituation reagiert werden soll. Das Konzept basiert auf der Idee mit «Durchwohnen» und Anordnung von Aussenräumen wie Laubengängen, Loggias etc. als Lärmpuffer in Verbindung mit entsprechender Grundrissanordnung. Entlang der Bahn sind Loggias und Lüftungsmöglichkeiten über die Seitenfassaden vorgesehen. Das gewählte Konzept kann in Bezug auf den Lärmschutz als denkbarer Lösungsansatz eingestuft werden, welcher jedoch in der nächsten Projektphase detaillierter zu dokumentieren wäre. Die Pläne zeigen eine üppige vertikal- und horizontal Begrünung. Als Rationalisierung der Tragstruktur schlagen die Projektverfassenden ein repetitives, vorfabriziertes System mit einer Kombina­tion aus Beton und Holzelementen vor, mit dem Ziel einer hohen Nutzungsflexibilität. Die zum Teil sehr grossen Auskragungen werden mit Diagonalstützen abgetragen. Die Nutzungsflexibilität soll durch ein Stützensystem, wie bei Industriebauten gewährleistet werden. Weitere Aussagen zu einer ganzheitlich verstandenen Nachhaltigkeit werden nicht gemacht.
Ansicht Süd